Xylit – Birkenzucker bei Diabetes?

In diesem Beitrag gehe ich der Frage nach, ob Birkenzucker für Diabetiker geeignet ist und welche Rolle dieser spielen kann. Dazu betrachte ich die derzeitige Studienlage und versuche schließlich noch die Frage zu beantworten wie sich das mit Karies verhält.

Los geht es.

Der Birkenzucker; genauer: Xylit, auch Xylitol genannt, vor allem in der englischsprachigen Literatur, ist ein Pentanpentol, was wiederum ein Zuckeralkohol ist, der in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung als Zuckeraustauschstoff gewonnen hat. Dabei ist die Substanz, die in der Natur vorkommt, bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Emil Fischer beschrieben worden.

Xylit kommt in einer Reihe von Pflanzen vor, wie Gemüsesorten und Früchten (Blumenkohl, Pilzen, Bagasse, Pflaumen, Erdbeeren und so weiter). Allerdings ist die Menge des in den Pflanzen enthaltenen Xylits nicht besonders hoch. Der Anteil liegt zumeist bei weniger als 1 Prozent der Trockenmasse. Damit eignen sich Pflanzen nicht als Xylit-Lieferanten. Die Industrie muss hier also für die Gewinnung auf chemische Prozesse zurückgreifen, wie die Umwandlung von Xylose mit Hilfe von Katalysatoren und unter Druck zu Xylit.

Deswegen kann Xylit aus fast allen pflanzlichen Materialien hergestellt werden. Abfälle aus Gärtnereien und der Holzwirtschaft kommen hier ebenfalls in Betracht wie Altpapier. Appetitlich klingt das nicht, allerdings sind bei regelgerechten Reinigungs-Methoden keine Risiken zu erwarten. Ansätze der TU Wien, jetzt Mikroorganismen zur Synthese einzusetzen, sehe ich jedoch kritisch – dazu aber ein anderes Mal mehr…

Die Forscher manipulieren solange am Genom der Zellen, bis sie die gewünschte Verbindung produzieren. Freilich weiß niemand, was sich genau in den Genen verändert hat. Die Folgen für Mensch und Ökosysteme sind nicht absehbar, denn immer besteht die Gefahr, dass solche GVOs entkommen können.

Xylit scheint sich als Zuckerersatz geradezu anzubieten. Denn die Substanz hat einen sehr ähnlichen Geschmack wie Saccharose, wie die chemische Benennung des allseits bekannten Haushaltszuckers lautet. Außerdem ist die Süßkraft mit knapp 100 Prozent von Saccharose nur unwesentlich geringer als der von Haushaltszucker.12

Für die Befürworter der Kalorienzählung, wenn es um Diabetes und Gewichtsreduktion geht, hat Xylit ebenfalls ein „Bonbon“ zu bieten: Es beschert dem Konsumenten nur fast die Hälfte der Kalorien im Vergleich zu Saccharose. Dazu gesellt sich die Tatsache, dass Xylit auch die Insulinsekretion nur halb so hoch anregt wie Zucker und damit einen bessern Glykämischen Index besitzt – und damit wieder eine süße Alternative für Diabetes-Patienten zu sein scheint.

Xylit für Diabetiker?

Es gibt für Xylit eine Reihe von Arbeiten und Veröffentlichungen, die den Nachteil besitzen, an Labortieren durchgeführt worden zu sein. Die Zahl der klinischen Studien hält sich auffallend in Grenzen, was für mich nicht leicht zu verstehen ist. Denn Xylit ist keine toxische Substanz und könnte daher nahezu bedenkenlos in Studien verifiziert werden. Bei einer Reihe von Tieren jedoch gilt diese Bedenkenlosigkeit nicht.

Hier hat Xylit ausgesprochen toxische Effekte, wie zum Beispiel  bei Hunden, Kaninchen, Rindern etc., da Xylit bei den Tieren eine extreme Insulinausschüttung bewirkt, die sie in eine kaum reversible Hypoglykämie manövriert. Bei Hunden sind außerdem Gerinnungsstörungen und Leberprobleme unter Xylit beobachtet worden.

Bei der Suche nach Arbeiten mit humanen Probanden bin ich auf diese Arbeit aus dem Jahr 1977 gestoßen:

In dieser Arbeit bekamen 24 Kinder mit Diabetes täglich 30 Gramm Xylit als Zuckerersatz für die Dauer von 4 Wochen. Die Autoren beobachteten einen signifikanten Anstieg von Harnsäure als hauptsächlichen (Neben)-Effekt. Die Autoren erklärten diesen Anstieg als die Folge des Verzichts auf Saccharose. Dann folgt sofort die  „Korrektur“ dieser Vermutung.

Denn die Autoren berichten, dass bei gesunden Kindern ebenfalls erhöhte Harnsäurewerte beobachtet worden sind, die nach dem Verzehr von Saccharose zu sehen waren. Darum schlossen sie, dass die erhöhten Harnsäurewerte unter Xylit keine pathophysiologische Bedeutung haben können. Sie schlossen weiter, dass Xylit sich als Zuckerersatzstoff für Diabetiker gut eignet, wenn gewisse Dosierungsgrenzen beachtet werden.

Mein Fazit: Harnsäure ist ein Stoffwechselprodukt der Leber, die Fruktose (und Alkohol) metabolisiert. Diese Erkenntnis gab es 1977 noch nicht, wo Zucker auch noch als Nahrungsmittel angesehen wurde. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn bei hohem Zucker und Xylit Konsum auch hohe Harnsäurewerte entstehen.

Inwieweit diese Werte eine Bedeutung für die Gesundheit haben, vor allem wenn die Substanz langfristig eingenommen wird, wird aus dieser Arbeit nicht deutlich. Die Annahme, dass hohe Harnsäurewerte unter Zucker ein Zeichen für die Unbedenklichkeit sind und daher die entsprechenden Werte unter Xylit ebenso, zeigt die damals falsche Einschätzung der gesundheitlich schädigenden Bedeutung von Zucker seitens der Autoren.

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Fructose, xylitol, and sorbitol.

Diese Arbeit von 1980 erschien in  „Diabetes care“. Die Autoren bemerken hier, dass ein Langzeitgebrauch von Zuckerersatzstoffen zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend beurteilt worden war in Bezug auf Sicherheit und Verträglichkeit. Die Autoren empfehlen bemerkenswerterweise diese Ersatzstoffe nicht für Übergewichtige, da sie keinen Nutzen für die Diät dieser Patienten erkennen. Sie vermuten sogar, das Xylit krebserzeugend ist.

Sie sehen einen begrenzten Gebrauch von Sorbitol und Fruktose als unbedenklich an. Sie sehen weiter einen gewissen Vorteil bei einer Diät für normalgewichtige Menschen, die ihren Kalorienbedarf berechnen. Die Autoren fordern aber weitere Studien zu den metabolischen Effekten dieser Substanzen.

Mein Fazit: Die Langzeitstudien zu Fruktose gibt es, ohne dass es sie offiziell gibt. Denn der inzwischen langjährige unfreiwillige Gebrauch als versteckte Kohlenhydrate in den industriell gefertigten Nahrungsmitteln hat die entsprechenden Ergebnisse mit sich gebracht:

Zum  „Vorwurf“ der Kanzerogenität: Dies scheint mir ein wenig aus der Luft gegriffen zu sein. Es gibt keine Hinweise dafür. Im Gegenteil. Xylit scheint sogar einen krebsverhindernden Effekt (bei Lungenkrebs) zu besitzen – wenn man dieser Laborarbeit Glauben schenken darf: Xylitol induces cell death in lung cancer A549 cells by autophagy. Ob das schon ausreicht, Xylit als Krebsmedikament anzusehen, halte ich für wenig gerechtfertigt.

Effect of xylitol and sorbitol on metabolic indices in diabetic children.

Diese russische Arbeit von 1987 untersuchte den Einfluss von Zucker, Sorbitol und Xylitol auf den Stoffwechsel von 80 Kindern mit Diabetes. Die Autoren sahen schon bei geringen Dosierungen von 20 Gramm Sorbitol oder Xylit bedenkliche Effekte beim Lipidstoffwechsel und der Leberfunktion. Von daher empfehlen die Autoren eher niedrige Dosen von Zucker anstelle von Zuckeraustauschstoffen.

Influence of fiber, xylitol and fructose in enteral formulas on glucose and lipid metabolism in normal subjects.

Die Autoren dieser Arbeit empfehlen den Einsatz von Fruktose oder Xylit bei Diabetikern. Warum? Sie sahen bei 8 gesunden Probanden, dass Fruktose und Xylit eine geringere Insulinausschüttung bewirkten als eine ballaststoffreiche Diät und eine Diät ohne Ballaststoffe. Aus dem Abstract wird leider nicht deutlich, um was für eine Diät es sich hier handelt, beziehungsweise welches Lebensmittel und welcher Gehalt an Kohlenhydraten hier gegeben waren.

Auf der anderen Seite waren bezeichnenderweise die Konzentrationen an Triglyceriden unter Xylit signifikant höher als in ballaststofffreien und ballaststoffreichen Formulierungen. Aus diesem Grund empfehlen die Autoren, Glukose gegen Fructose oder Xylit einzutauschen.

Mein Fazit: Es handelt sich hier um die klassische  „wissenschaftliche“ Arbeit, die beweist, was sie beweisen soll. Auch die beobachtete Tatsache, dass die Triglyceridwerte unter Fruktose und Xylit signifikant erhöht waren, gibt den Autoren kein Grund zu Bedenken für diese Empfehlung. Denn erhöhte Triglyceride sind mit Bestandteil der Entwicklung einer Insulinresistenz und damit signifikanter Beitrag zum Diabetes.

Gut hormone secretion, gastric emptying, and glycemic responses to erythritol and xylitol in lean and obese subjects.

Diese Arbeit untersucht die Reaktion des Organismus auf den süßen Geschmack der Zuckeraustauschstoffe Xylit und Erythrit. Die Autoren argumentieren, dass Glukose allein die Rezeptoren für süßen Geschmack im Gastrointestinaltrakt stimuliert und zur Freisetzung von gastrointestinalen Hormonen führt. Daher ist es denkbar, dass der süße Geschmack von Zuckerersatzstoffen ebenfalls zu dieser Hormonfreisetzung führt.

Um diese Frage zu überprüfen, nahmen 10 schlanke und 10 übergewichtige Probanden an der Studie teil. Sie bekamen 75 g Glukose, 50 g Xylit oder 75 g Erythrit in 300 ml Wasser oder Placebo (Wasser) über eine Nasensonde verabreicht.
Die Autoren untersuchten dann die Plasma-Glukose, Insulin, Glucagon-like-Peptid-1, Cholecystokinin und die Geschwindigkeit der Magenentleerung.

Resultate: Xylit und Erythrit zeigten einen signifikanten Anstieg von Cholecystokinin und  Glucagon-like-Peptid-1. Insulin zeigte sich nur unwesentlich verändert. Xylit und Erythrit bewirkten eine signifikante Verlangsamung der Magenentleerung. Dennoch war die subjektive Empfindung der Teilnehmer für den Appetit nach wie vor unverändert.

Die Autoren schlossen aus ihren Beobachtungen, dass die Zuckerersatzstoffe wie Glukose auch zu einer Freisetzung von gastrointestinalen Hormonen führen. Die Insulinfreisetzung bleibt davon unberührt.

Mein Fazit: Wie es aussieht, haben die Forscher Recht, die vermuten, dass auch kalorienarme Süßstoffe zu einer Ankurbelung der Verdauungstätigkeit anregen und somit den Boden bereiten für eine latente Bereitschaft, mehr zu essen als normalerweise notwendig ist, um sich kalorisch ausreichend zu versorgen. Über diesen  „Umweg“ führen dann kalorienarme oder -freie Zusatzstoffe zu einer Gewichtszunahme.

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Interessantes für den Zahnarzt

Zucker ist schlecht für die Zähne, das haben wir schon als Kind gelernt. Jetzt heißt es: Xylit ist gut für die Zähne. Wie kommt das? Es spricht viel dafür, dass die Bakterien, die die Karies verursachen (Streptococcus mutans), Xylit nicht für ihren Stoffwechsel heranziehen können und aufgrund von Nährstoffmangel absterben. Aber ist das jetzt schon Kariessprävention?

Eine Studie von 2013 (Visual scoring of non cavitated caries lesions and clinical trial efficiency, testing xylitol in caries-active adults) konnte jedenfalls keinen kariesverhindernden Effekt von Xylit feststellen.

Eine ganz neue Studie (2016) kommt zu einem Kompromiss-Ergebnis:

Erythritol Is More Effective Than Xylitol and Sorbitol in Managing Oral Health Endpoints.

Nicht Xylit ist besonders effektiv bei der Gesunderhaltung des Mund-Rachen-Raumes, sondern Erythrit. Letzteres reduziert effektiv Zahnplaque und Biofilme von Streptococcus auf den Zahnoberflächen, blockiert die Expression von bakteriellen Genen, die bei der Saccharose Metabolisierung beteiligt sind und reduziert die Gesamtzahl an Kariesfällen.

Eine weitere Studie geht ebenfalls dieser Frage nach:

Xylitol Chewing Gums on the Market: Do They Prevent Caries?

Die Logik ist klar: Wenn Xylit Karies verhindert, was hindert uns dann, Kaugummis zu kauen, die Xylit enthalten und damit beim Kauen Karies-Bakterien vernichten?

Die Autoren dieser Studie untersuchten die Kaugummi-Marken aus dem Mittleren Osten, die Xylit enthalten und ermittelten den Xylit-Gehalt.

Resultate: Nur eine Marke wies die Menge an Xylit aus. Zwölf andere Marken gaben nur Prozentangaben. Der Rest machte keinerlei Angaben zum Inhalt. Die ermittelten Werte seitens der Autoren ergab eine durchschnittliche Menge von nur 0,33 Gramm pro Kaugummi.

Die Menge an Xylit lag unter 0,3 Gramm bei 9 Produkten, zwischen 0,3 und 0,5 Gramm bei 7 Produkten und über 0,5 Gramm bei 5 Produkten. Keiner der getesteten Produkte bewirkte eine Veränderung des pH-Werts in vitro oder in vivo.

Die Autoren schlossen aus ihren Beobachtungen, dass die auf dem Markt befindlichen Produkte im Mittleren Osten Xylit-Mengen aufweisen, die weit von den notwendigen täglichen Mengen zur Kariesprävention entfernt sind.

Mein Fazit: Kariesprävention mit Zuckerersatzstoffen scheint auch in der Praxis genau so widersprüchlich zu sein, wie sie es als Idee schon klingt. Es ist anzunehmen, das Xylit Karies nicht fördert, im Gegensatz zu Zucker. Aber das alleine ist noch keine Kariesprävention.

Fazit

Xylit als Zuckerersatzstoff scheint dem Ruf seiner Familie treu zu bleiben. Es gibt unter einem langen und ausreichend hohen Konsum Stoffwechselunregelmäßigkeiten, sodass ein Verzehr seitens Diabetiker und Übergewichtiger nicht ohne Weiteres zu empfehlen ist. Die Tatsache, dass hier Kalorien gespart werden, hat mit den physiologischen Wirkungen der Substanz überhaupt nichts zu tun.

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