Evergreening: Warum es keine Insulin-Generika (Billiginsulin) gibt...
Erfahrungen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

Wir kennen Evergreens aus der Musik. Das sind unvergessliche Musikstücke, die ihre aktuellen Jahre weit überlebt
haben und immer wieder gerne gehört und gespielt werden.
Evergreening ist das Gleiche in Grün in der Geschäftswelt, wie die Pharmaindustrie, wenn es darum geht, laufende
Patente von Produkten über die rechtlich zugesicherte Laufzeit hinaus zu verlängern. Dabei handelt es sich mehr um
„Machenschaften“ - auf keinen Fall ist Evergreening ein rechtlich abgesichertes Konzept oder sogar Bestandteil der
Rechtsprechung oder des Patentrechts.
Laut der englischen Version von Wikipedia handelt es sich hier um „einen Begriff, der Myriaden von möglichen
Wegen beschreibt, mit dem pharmazeutische Patenteigner das Recht und verwandte Rechtswege benutzen, um ihre
profitablen intellektuellen Besitzrechte zu verlängern, besonders wenn es sich um hoch profitable Blockbuster
Medikamente handelt“.
Warum es keine Generika bei Insulin gibt...
Generika sind Medikamente, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist. Da es bei den Generika um die gleiche
pharmakologisch/pharmazeutische Substanz handelt wie bei den Originalprodukten, gibt es in der Regel keine
Unterschiede in der Wirkung, Nebenwirkungen und Indikationen. Die Hersteller der Originale behaupten zwar immer,
dass ihre Galenik, also die Machart der Tabletten und Kapseln, denen der Nachahmer überlegen sei und dass dabei
Unterschiede bei der Resorption entstehen können. Dies ist möglich, aber nicht die Regel.
Denn rein theoretisch könnte man eine schlechtere Resorption durch eine höhere Dosis kompensieren. Das würde
zwar mehr Geld kosten, aber… die Kosten von Generika betragen nur bis zu 5 Prozent der ursprünglichen
Kosten für das Original. Bei solchen Preisunterschieden ist das Kostenargument nur lächerlich.
Und bei solchen Preisen ist auch verständlich, warum man bei den Original Herstellern nach Mitteln und Wegen sucht,
die alten Produkte so zu manipulieren, dass daraus ein neues, patentierbares Etwas wird – Evergreening.
Johns Hopkins Medicine veröffentlichte letztes Jahr einen Beitrag zu diesem Thema: Why People with Diabetes Can't Buy Generic Insulin. Hier erfährt der Leser, dass es zwar
Generika für eine Unmenge an Medikamenten gibt. Aber für Insulin hat es nie ein Generikum
gegeben. Das ist besonders merkwürdig, handelt es sich hier um ein lebensrettendes Medikament, wodurch
es sich von den meisten pharmazeutischen Produkten unterscheidet.
Theoretisch müsste es schon lange ein Generikum geben. Aber die Pharmaindustrie hat es verstanden, durch
minimale Veränderungen beziehungsweise „Verbesserungen“ den Patentschutz nie auslaufen zu lassen. Und der dauert
jetzt schon seit 93 Jahren (1923 bis heute). Und das Resultat dieses Dauerpatentschutzes ist, dass viele
insulinpflichtige Diabetiker finanzielle Probleme bei der Besorgung ihrer Medizin haben. Und einige dieser
Patienten landen im Krankenhaus mit lebensbedrohlichen Komplikationen, wie Nierenversagen und diabetischem Koma.
Das behaupten zwei Internisten und Wissenschaftler von Johns Hopkins Medicine.
Die beiden Autoren, Dr. Jeremy Greene und Dr. Kevin Riggs, bezeichnen in ihrer Veröffentlichung im New
England Journal of Medicine die Geschichte des Insulins als ein perfektes Beispiel für Evergreening. Hier
haben die Hersteller immer wieder eine Reihe von „Verbesserungen“ durchgeführt, die die Patente für Jahrzehnt haben
verlängern können.
Durch diese Maßnahmen wird gleichzeitig sichergestellt, dass ältere Versionen des Medikaments nicht auf den
Generika-Markt gelangen. Denn die Hersteller von generischem Insulin haben keine Motivation, ein altes Medikament
anzubieten, von dem die Ärzte glauben, das es inzwischen obsolet geworden ist.
Und die neuen Insuline sind aufgrund der Werbekampagnen der Hersteller natürlich besser als die Alten,
und meist auch teurer als diese. Wer es sich leisten kann, der hat kein Problem mit der Versorgung. Wer
krankenversichert ist, muss beten, dass die Krankenkassen sich mit den Herstellern einigen, dass das neue Insulin
rezeptierbar wird. Denn die alten Insuline werden langsam und sicher vom Markt genommen. Und da es keine
generischen Anbieter gibt, bleiben nur die neuen und teuren Präparate auf dem Markt. Für die Krankenkassen gibt es
dann kaum noch eine andere Wahl, als die neuen Produkte, egal wie viel besser oder auch nicht die neuen Insuline
und deren Darreichungsformen sind, zu akzeptieren und in den Katalog der rezeptierbaren bzw.
erstattungsfähigen Medikamente aufzunehmen. Denn täten sie es nicht, dann gäbe es kein Insulin mehr für Diabetiker,
beziehungsweise als Diabetiker müsste ich mir mein Insulin selbst kaufen. Wofür dann noch eine
Krankenversicherung?
In Amerika haben 20 Millionen Menschen Diabetes. Bei Typ-1-Diabetes ist die Injektion von Insulin
unausweichlich, da die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produzieren kann.
Bei Typ-2-Diabetes kann Insulin vermieden werden, indem der Patient eine entsprechende Diät einhält und/oder
orale Antidiabetika einnimmt.
Aber auch hier führt der therapeutische Weg der Schulmedizin oft in die Insulinabhängigkeit. Denn orale
Medikamente beseitigen nicht den Diabetes, sie kaschieren ihn nur.
Wer in den Staaten nicht versichert ist, der muss monatlich zwischen 120 und 400 Dollar nur für sein Insulin
ausgeben. Wer sich solche Ausgaben nicht leisten kann, der bezahlt mit gesundheitlichen Komplikationen, wie
verschwommenem Sehen, dramatischem Gewichtsverlust, unstillbarem Durst, einige der Konsequenzen und Symptome eines nicht eingestellten Diabetes. Unbehandelt
führt dies zur Erblindung, Nierenversagen, Gangränen an den
Extremitäten und Verlust von Gliedmaßen aufgrund von notwendig gewordenen Amputationen.
Bei derartig grauenhaften Verläufen muss man sich wiederholt die Frage stellen, warum es kein
preiswertes Generikum von Insulin gibt. Der Grund: Die Geschichte des
Insulins wurde von der Pharmaindustrie im Laufe der Jahre „pervertiert“.
Insulin wurde 1921 von den Forschern Banting und Best entdeckt. Im Jahr 1923 wurde diese Entdeckung patentiert
und für einen Dollar an die Universität von Toronto „verkauft“. Die amerikanische Firma Eli Lilly hatte schon früh
eine Unterstützung der beiden Forscher kurz nach der Veröffentlichung ihrer Entdeckung angeboten, die von den
Forschern dankend angenommen wurde.
Für die praktische Umsetzung der Entdeckung war diese Kooperation ein Segen. Das Gleiche lässt sich auch für die
Weiterentwicklung der Insuline sagen. In den 1930er und 40er Jahren entwickelte die Pharmaindustrie lang wirksame
Insuline, die bei vielen Patienten eine Einmaldosierung am Tag erlaubte. Im Verlauf der Jahre stießen immer mehr
Pharmafirmen hinzu, die sich mit der Weiterentwicklung der Insuline befassten. Dieser Verlauf war nur deshalb
möglich, weil der Patenthalter, die Universität von Toronto, keinen exklusiven Anspruch auf ihr Patent erhoben
hatten und Insulin damit von jedem, der wollte und konnte, benutzt und vertrieben werden konnte.
Heute ist das humane gentechnisch gewonnene Insulin noch Standard. Die Insulin erzeugenden Pharmafirmen haben
die Produktion tierischer Insuline seit geraumer Zeit eingestellt. Kein ernstzunehmender Arzt oder Diabetologe wird
heute noch auf dieses Insulin zurückgreifen. Gentechnisch hergestelltes Humaninsulin ist sehr aufwendig in der
Herstellung und daher kaum denkbar für eine Generika produzierende Firma. Dazu gesellt sich noch die Tatsache, dass
der Herstellungsprozess selbst auch unter Patentschutz steht. Eine Generika-Firma müsste also erst einmal einen
eigenen Herstellungsprozess auf gentechnischer Basis erfinden, um selbst Humaninsulin zu produzieren.
Die neueste Erfindung, die Insulinanaloga, sind gentechnisch hergestellte Insuline mit leicht veränderter
Struktur. Diese Veränderungen sollen die Steuerbarkeit der Substanzen verbessern. Gleichzeitig stellt diese
Neuerung sicher, dass es für diese Substanzgruppe keine Generika gibt, da der Herstellungsprozess noch aufwendiger
ist.
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Evergreening in der Pharmaindustrie
Am Beispiel von Insulin wird die Taktik des Evergreening deutlich, die auch bei anderen Substanzen in etlichen
Variation zur Anwendung kommt. Ziel ist immer, die Konkurrenz mit den Generika an dem Zugriff auf freie Substanzen
zu hindern und damit für die eigenen Produkte hohe Preise zu erzielen. Hierzu werden von den Herstellern immer
wieder neue Darreichungsformen (Nanopartikel zum Beispiel) erfunden, oder neue Dosierungen, neue Kombinationen oder
die alte Substanz wird biochemisch geringfügig verändert, was zu einer patentrechtlich gesehen neuen patentierbaren
Substanz führt.
In der Pharmabranche wird dies als „Lifecycle Management“ bezeichnet. Dahinter versteckt sich nichts anderes als Strategien,
wie der Patentschutz einer Substanz verlängert, modifiziert und so weiter werden kann. Ziel ist die Maximierung
der Gewinne aus dem Verkauf des jeweiligen Produkts.
Ein weiterer Aspekt hier ist die Anmeldung eines Patents. Für die Pharmafirmen sind die Anforderungen für ein
neues Patent verhältnismäßig einfach zu erfüllen. So sind zum Beispiel Retard-Formen bei Medikamenten schon lange
bekannt und in der Anwendung. Wenn dann aber eine solche längst bekannte Retard-Form mit einer bekannten Substanz
kombiniert wird, dann erhalten wir ein vollkommen neues Medikament, das zugelassen werden muss, aber auch
patentierbar ist. Und schon hat die Kombination der alten Substanz als Retard-Präparat eine 20-jährige patentierte
Zulassung. Eine andere Strategie ist, wie bereits weiter oben schon erwähnt, die geringfügige Veränderung der
biochemischen Struktur einer Substanz, um sie als „neue Substanz“ zu klassifizieren und patentieren.
In der Regel sind die damit erzielten therapeutischen Vorteile bestenfalls marginaler Natur. Die Veränderungen
richten sich hauptsächlich an der Notwendigkeit aus, Patente zu erzielen. Für die neue Substanz, die man patentiert
hat, werden dann vom Marketing therapeutische Vorteile erfunden, die die Pharmavertreter dann dem Arzt als der
Wissenschaft letzter Schrei verkaufen müssen. Diese Praxis ist auch mit verantwortlich, dass es bei den
verschiedenen Substanzklassen und deren entsprechenden Indikationen einen Berg an „me-too“ Präparaten gibt, die
sich alle biochemisch ein wenig unterscheiden, und daher von Rechtswegen als eigenständige Substanzen angesehen
werden. Für die Therapie der damit behandelten Erkrankungen gibt es selten signifikante Unterschiede (Wenn Wiki einen Watcher hat).
Über die Notwendigkeit der „Gewinnmaximierung“ in der Pharmaindustrie
Pharma IP Evergreening Strategies ist ein im Netz veröffentlichter Vortrag eines
Patentanwalts, der deutliche Zahlen präsentiert. Demnach kostet es einer „forschenden Firma“ rund 1,3 Milliarden
Dollar, um eine neue Substanz zu entwickeln. Dazu werden rund 5000 Verbindungen/Substanzen geschaffen, von denen
es nur 5 in die klinische Prüfung schaffen. Und von den 5 wird nur eine einzige zugelassen. Aber danach ist
angeblich die Welt immer noch nicht in Ordnung, denn nur eine von drei neu zugelassenen Substanzen ist in der
Lage, die Entwicklungskosten wieder einzufahren.
Einer der Blockbuster in den Staaten war Lipitor, das alleine im Jahr 2010 rund 11,7 Milliarden Dollar Umsatz
erzielte. Lantus und NovoLog sind zwei Diabetes-Präparate, die es in die Top-10 der prognostizierten Verkaufszahlen
für das Jahr 2014 schafften – Lantus mit 7,1 und NovoLog mit 5,7 Milliarden Dollar.
Der Patentanwalt bezeichnet in seinem Vortrag den „Big Pharma Markt“ als unvorhersehbar und voll von Risiken. Es
lauern unerwartete Nebenwirkungen, die dem Präparat ein vorzeitiges Ende bereiten können. Und wenn ein Konkurrent
eine neue, ähnliche Substanz für das gleiche Indikationssegment auf den Markt bringt, dann könnte der von der
Konkurrenz behauptete Vorteil der neuen Substanz das Ende des eigenen Produkts sein.
Oder mit anderen Worten: Die Bedenken der Pharmaindustrie sind berechtigt. Allerdings scheint niemand hier auf
den Gedanken zu kommen, dass die Behandlung von Krankheiten mit selbst geschaffenen Substanzen zumindest als
Langzeittherapie keine biologisch kompatible Vorgehensweise ist. Kein Wunder also, wenn Arzt und Patienten auf der
Hut vor Nebenwirkungen sein müssen.
Und mit weiteren anderen Worten: Bei einem so hohen Risiko kann die Pharmaindustrie keine nebenwirkungsarme oder
-freie Konkurrenzprodukte neben sich dulden, die natürlichen Ursprungs und damit nicht patentierbar sind. Hier wird
dann einfach gebetsmühlenartig behauptet, dass natürliche Substanzen keine evidenzbasierte Basis für den Einsatz in
der Medizin haben. Gibt es diese Basis aber doch, dann ist die Pharmaindustrie die Erste, die sich hier Patente auf
natürliche Stoffe zu ergattern versucht.
Fazit
Ob Insulin oder andere Medikamente, die Pharmaindustrie versucht alles so teuer wie möglich zu verkaufen und
billige Konkurrenz auszuschalten. Und wenn es dabei zu Liefer- oder Produktionsengpässen kommt, dann ist dies das
schönste Luxus-Problem, was man sich als Anbieter vorstellen kann.
Denn mehr Diabetiker erhöhen die Nachfrage nach Insulin. Und wenn es keine billigen Nachahmer gibt, die den
Bedarf decken helfen, dann bleibt das Angebot unter der Nachfrage und die Preise hoch. Dass hier Menschen für diese
Veranstaltung mit ihrem Leben bezahlen, das interessiert das Marketing auf der Jagd nach immer höheren
Verkaufszahlen herzlich wenig.
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